Bohrungen tief unter die Autobahn

Die A3 soll sechsspurig werden. Das ist dringend nötig: Bis zu 90.000 Autos fahren täglich zwischen Würzburg und Nürnberg. Die Frage ist: Hält der Untergrund das aus? Bohrungen sollen Aufschluss geben.

12. Oktober 2015 | News | infranken.de | Bilder/Autor: Robert Wagner

Mit weit über 100 Kilometer pro Stunde rasen die Autos vorbei.

Der Fahrtwind der Lkw zerrt an der orangen Warnweste. Und es ist laut, sehr laut. Kaum drei Meter ist der Standstreifen der A 3 bei Abtswind breit, auf dem Ronny Lange und Michael Weiß mit schwerem Gerät hantieren.

Auf 79 Kilometern soll die A 3 zwischen Biebelried und dem Kreuz Erlangen/Fürth sechsspurig ausgebaut werden – ein Mammutprojekt. Fast eine Milliarde Euro soll der Ausbau insgesamt kosten. Der Bau ist dringend nötig: Bis zu 90 000 Autos fahren täglich auf der Strecke. Bis zum Ende des Jahres 2015 will die Autobahndirektion deshalb für alle Teilbereiche Baurecht bekommen. Bis zur Fertigstellung der Strecke werden aber noch Jahre vergehen.

Um das Projekt voranzutreiben, muss auch der Untergrund geprüft werden. Sibylle Glück, Diplom-Geologin bei der Autobahndirektion, erklärt die Hintergründe: Der Boden muss tragend sein, Setzungen und Rutschungen dürfen nicht vorkommen. Außerdem müssen die Grundwasserverhältnisse überprüft werden.

Deshalb treiben Lange und Weiß mit einem neun Tonnen schweren Bohrer Löcher in den Standstreifen der Autobahn. Je nach Untergrund bis zu 30 Meter in die Tiefe. Sie entnehmen Gesteinsproben, die Ausschluss darüber geben sollen, ob der Boden stabil genug ist für den geplanten Ausbau der A 3.

Insgesamt sollen etwa 1500 Bohrungen auf der Strecke vorgenommen werden. Bis zum Anfang des nächsten Jahres will die Autobahndirektion fertig sein. Frank Dittrich, Diplom-Ingenieur und Leiter der Bohrungen im Abschnitt Biebelried bis Geiselwind, erklärt, dass allein eine Bohrung etwa eineinhalb Tage dauert.

Mehrere Teams mit schwerem Gerät sind gleichzeitig auf der Strecke, um im Zeitplan zu bleiben. Und das bei Wind und Wetter, Regen und Schnee. Ob Minusgrade bis zu zehn Grad unter Null oder Temperaturen von 40 Grad im Sommer – die Bohrteams sind täglich draußen. „Am schlimmsten ist aber der Verkehr“, sagt Ronny Lange.

Gefahr von der Straße

Sein Kollege Michael Weiß steht neben dem etwa sechs Meter hohen Bohrturm – nicht einmal einen Meter von den vorbeirasenden Autos entfernt. Seine Worte werden vom Verkehrslärm halb verschluckt: „Immer ein Auge auf den Verkehr haben.“ Kollege Lange ergänzt: „Das schlimmste ist, die Baustelle auf- und wieder abzubauen.“ Die beiden tragen Helme. Wenn tatsächlich einmal ein Lkw in die Baustelle kracht, nützen die aber wenig.

Einige Meter entfernt steht ein großes Warnschild. „Wenn da jemand reinkracht, dann hört man es wenigstens schon vorher“, bemerkt Bauleiter Dittrich ironisch. Aber es werde natürlich alles getan, um die Arbeiter zu schützen. Deshalb habe er Gott sei Dank noch keinen Unfall erlebt. Auch der Verkehr soll nicht behindert werden: Fahrbahnen werden für die Arbeiten nicht gesperrt, auch Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt es nicht. Lange und Weiß sind gerade dabei, die Baustelle abzubauen. 17 Meter haben sie diesmal in die Tiefe gebohrt. Die Bohrkerne werden in etwa ein Meter langen Holzkisten gelagert. Vor Ort prüfen Mitarbeiter der Baugrundabteilung des TÜV, ob der Untergrund für den Ausbau geeignet ist. „Hier sieht es ganz gut aus“, sagt Lange.

Suche nach Ressourcen

Sibylle Glück kann das nur bestätigen: „Der Untergrund im Landkreis Kitzingen bereitet bisher keine Probleme.“ Es handele sich meist um Kalk- und Tonstein. Manchmal finde man auch kleinere Muscheln und andere Fossilien in den Bohrkernen, erzählt Dittrich.

Auch deshalb sind die Proben nicht nur für die Autobahnbauer interessant. Mitarbeiter vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LFU) in Hof nutzen die Kerne, um mehr über die Erdgeschichte der Region zu erfahren. Auch nach abbaubaren Lagerstätten natürlicher Ressourcen wird gesucht. Glück freut sich, dass so „wissenschaftliche Synergien“ erzeugt werden können.

Die schiere Zahl der Bohrungen und die Nähe zur Fahrbahn machen die Arbeit zu etwas Besonderem. Die Technik selbst ist jedoch relativ simpel, erklärt Dittrich. Solange man durch lockeres Gestein bohrt, frisst sich der Bohrkopf relativ leicht durch den Untergrund. Proben werden entnommen, dann werden Stützrohre von oben nach unten getrieben, um zu verhindern, dass lockeres Material nachrutscht.

Sobald man auf härteres Material stößt, sind solche Sicherungen nicht mehr nötig. Dafür wird dann Wasser hinunter gespült – um den Bohrer zu kühlen und das gelockerte Gestein nach oben zu transportieren. Zum Abschluss wird das Loch wieder aufgefüllt – Sisyphos lässt grüßen.

Dann wird das schwere Bohrgerät auf einen Lkw geladen, ein Stück weiter gefahren – und die Arbeit beginnt von vorne. Ein paar hundert mal haben das die Männer um Dittrich seit April gemacht – ein paar hundert mal müssen sie noch ran. Damit die Autofahrer irgendwann tatsächlich über sechs Spuren zwischen Würzburg und Nürnberg rasen können.

 

BAB A3

Schweres Gerät: Ronny Lange (li.) und Michael Weiß (re.) bohren mit dem neun Tonnen schweren Bohrer Löcher in den Standstreifen.

Bodenproben: In ein Meter langen Holzkisten werden die Bohrkerne gelagert und dann geprüft.